Einsamkeit in der digitalen Ära: Wer ist betroffen und warum steigt sie?

In der digitalen Ära erleben Menschen, trotz der Vorteile der Digitalisierung, verstärkt Einsamkeit, die durch gesellschaftliche Veränderungen wie Individualisierung, Flexibilisierung der Arbeitswelt und dem digitalen Wandel beeinflusst wird.

In der heutigen digitalen Ära erleben Menschen unterschiedlichen Alters und Lebensumständen Einsamkeit auf verschiedene Weisen. Studien zeigen, dass Lebensphasen, die durch große Veränderungen oder bedeutende Ereignisse geprägt sind, wie der Schulwechsel oder der Beginn einer Ausbildung, das Risiko für Einsamkeit erhöhen können. Die Qualität der sozialen Beziehungen während der Schulzeit und ungünstige Lebensereignisse in der Kindheit sind wichtige Faktoren, die die Bildung, Beschäftigung und Gesundheit im späteren Leben beeinflussen können.

In der digitalen Ära hat sich das Phänomen der Einsamkeit weiterentwickelt und zeigt sich in Deutschland besonders bei jungen Menschen. Trotz der Omnipräsenz digitaler Medien sind junge Menschen stärker von Einsamkeit betroffen als ältere Generationen. Eine Studie aus Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass die Verlagerung sozialer Kontakte in soziale Medien einerseits Bindungen stärken kann, andererseits aber auch Isolation fördert. Junge Frauen fühlen sich besonders unter Druck gesetzt, sich digital zu präsentieren und kein soziales Ereignis zu verpassen. Für ältere Menschen über 65 bietet die Digitalisierung dagegen eine Möglichkeit, Einsamkeit durch das Knüpfen neuer sozialer Kontakte über digitale Technologien zu mindern.

Die Einsamkeit zeigt sich in verschiedenen Bevölkerungsgruppen auf unterschiedliche Weise. Junge Studierende stehen oft unter dem Druck des Studiums und verbinden Einsamkeit mit Bildungserwartungen und möglichen Scheiternserfahrungen. Berufstätige Frauen mittleren Alters in prekären Beschäftigungsverhältnissen assoziieren Einsamkeit oft mit einem Mangel an sozialer und beruflicher Anerkennung. Ältere Menschen im Rentenalter sind mit dem Rückgang sozialer Kontakte aufgrund von Verlusten von Partner:innen oder Angehörigen konfrontiert und nutzen digitale Technologien, um ihr soziales Netzwerk zu erweitern.

Warum aber steigt die Einsamkeit?

Eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Splendid Research zeigt, dass die meisten Deutschen "aktuelle Lebensumstände" als Hauptursache für Einsamkeit nennen, gefolgt von der unpersönlichen Kommunikation über das Smartphone. Doch diese Lebensumstände sind oft eng mit drei großen gesellschaftlichen Entwicklungen verbunden: Individualisierung, Flexibilisierung der Arbeitswelt und Digitalisierung.

Individualisierung
  • Dieser Prozess beschreibt das Herauslösen aus bisherigen gesellschaftlichen und gemeinschaftlichen Strukturen, Zwängen und Verpflichtungen. Während er eine größere persönliche Freiheit ermöglicht, führt er auch zu einem Abbau traditioneller sozialer Bindungen. Beziehungen werden loser und flexibler, aber auch instabiler. Individualisierungsprozesse zeigen damit Tendenzen sozialer Desintegration, was zu sozialer Isolation und letztlich Einsamkeit führen kann.
Flexibilisierung der Arbeitswelt
  • Diese Entwicklung umfasst häufige Arbeitsplatzwechsel, Umzüge und die Verlagerung von Arbeit in die digitale Sphäre. Dadurch werden traditionelle Arbeitsstrukturen aufgelöst und analoge soziale Netzwerke fragmentiert. Menschen müssen sich immer wieder in neue Umgebungen einleben, was das Schaffen stabiler sozialer Bindungen erschwert. Die ständigen Veränderungen machen es oft nicht mehr lohnenswert, in langfristige soziale Beziehungen zu investieren, was zu einem Gefühl der Entfremdung und Einsamkeit führen kann.
Digitalisierung
  • Die Entwicklung von digitalen Medien hat neue Formen und Möglichkeiten der Sozialität geschaffen. Durch soziale Medien können Menschen von Fremden Bestätigung erfahren, mit Freunden auf Distanz kommunizieren und sich über Hobbies und Themen austauschen. Dies bietet insbesondere Minderheiten und benachteiligten Personengruppen die Möglichkeit, Einsamkeit zu überwinden und sich zu vernetzen. Doch gleichzeitig birgt die Digitalisierung auch Risiken. Der erhöhte Vergleichsdruck im Netz und die Betonung von Likes und Followerzahlen können zu einem verstärkten Gefühl der Einsamkeit führen, insbesondere für junge Menschen, die in einer Welt aufwachsen, in der virtuelle Anerkennung oft mit realer Zufriedenheit gleichgesetzt wird.

Insgesamt zeigt sich, dass die Digitalisierung sowohl eine Chance als auch eine Herausforderung im Kampf gegen Einsamkeit darstellt. Während sie neue Möglichkeiten der sozialen Vernetzung bietet, birgt sie auch Risiken wie affektive Überreizung und erhöhten Vergleichsdruck im Netz.

Das digitale Miteinander

Die ZoomIN-Reporterin Maral Bazargani (zdf Heute Nachrichten) hat sich mit dem Thema Einsamkeit auseinandergesetzt. Das Video gibt Einblicke, wie sich das Internet auf die Einsamkeit in verschiedenen Generationen auswirken und wie man mit dem Gefühl der Einsamkeit umgehen kann. In dem Video wird mit verschiedensten Personengruppen gesprochen, unter anderem mit jungen und älteren Menschen sowie mit der Podcasterin Yara Hoffmann und der Psychologin Dr.in Susanne Bücker.